Wir fordern die Bundesregierung auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um gefährdeten Menschen aus der Ukraine mit oder ohne ukrain. Staatsangehörigkeit, besonders LSBTIQ*, die in die EU bzw. nach Deutschland flüchten wollen, Schutz zu gewähren.
Wir, Vertreter*innen diverser Organisationen aus der LSBTIQ*-Community in Deutschland, organisiert im Bündnis Queere Nothilfe Ukraine, sind sehr besorgt über die Lage in und um die Ukraine. Uns erreichen viele Nachrichten von LSBTIQ*, ihren Familien und ihren zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen.
Seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat sich die Lage dramatisch verschärft. Schon am ersten Tag des Überfalls wurde wichtige Infrastruktur zerstört. Viele Menschen flüchten innerhalb des Landes, aber auch Richtung Rumänien, Slowakei, Moldawien und Polen. Da Flughäfen großflächig bombardiert wurden, können die Menschen die Ukraine nur noch über den Landweg verlassen. Diese Flucht wird stark erschwert durch Checkpoints, Benzinmangel und chaotische Zustände.
Queere Organisationen vor Ort berichten uns, dass trans* Personen ohne angeglichene Papiere die Checkpoints nicht passieren können und unter Umständen keinen biometrischen Pass haben, der aber für eine Einreise in die EU notwendig ist. Zur Zeit dürfen nur weiblich gelesene Menschen und Kinder die anliegenden EU-Grenzen überqueren. Es wird befürchtet, dass HIV- und trans*medizinische Medikation ausgehen wird. Zudem bedroht die angeordnete militärische Generalmobilmachung auch schwule und bisexuelle Männer sowie trans* Frauen und intergeschlechtliche Frauen mit einem männlichen Geschlechtseintrag. Diese Gruppen sind bei Gefangennahme, aber auch im militärischen Alltag besonders vulnerabel.
Die russische Aggression verstärkt die finanzielle Krise in der Ukraine und wird eine zunehmende Verarmung der Bevölkerung zur Folge haben. Das trifft besonders prekarisierte Menschen. Gesellschaftlich diskriminierte Minderheiten wie Menschen mit psychiatrischen Diagnosen, LSBTIQ* und Menschen mit Behinderungen waren bereits vor dem Angriff besonders prekarisiert, und sind jetzt noch mehr gefährdet. Nach Berichten des US-Auslandsnachrichtendienstes sind diese vulnerablen Gruppen besonders gefährdet. Sie könnten Opfer gezielter Angriffe werden oder aufgrund von Homo- und Transphobie vom Zivilschutz ausgenommen werden.
Wir fürchten um die Sicherheit und das Leben von LSBTIQ* Menschenrechtsaktivist*innen vor Ort. Unterstützende Gruppen und Organisationen wie Insight, Sphere, Kyiv Pride, Cohort, LIGA, HPLGBT, Egalite Intersex Ukraine und trans* Generation können ihre Arbeit nicht weiterführen. Ihre Aktivist*innen sind gefährdet.
Zusätzlich sorgen wir uns auch um die Menschenrechtssituation von geflüchteten LSBTIQ* aus der Ukraine in den Ländern Mitteleuropas. Die größte Fluchtbewegung ist nach Polen, Ungarn und Rumänien zu erwarten. Dort erleben Geflüchtete allgemein, und besonders schutzbedürftige Minderheiten nochmal verstärkt, Mehrfachdiskriminierung. So haben die Regierungen dieser Länder in den letzten Jahren eine massiv LSBTIQ*-feindliche Politik vertreten und durchgesetzt. LSBTIQ* Geflüchtete sind in diesen Ländern nicht sicher!