70 von 91 Integrationsprojekten in Sachsen sollen wegfallen – auch alle Angebote für queere Geflüchtete. Ein gefährlicher Kahlschlag, der Zusammenhalt, Sicherheit und Menschenrechte bedroht.
Sachsens Integrations- und Beratungslandschaft steht vor einer dramatischen Zäsur: Von 91 Förderanträgen nach der Richtlinie Integrative Maßnahmen wurden für 2026 nur 21 bewilligt. Statt der erwarteten 6 Millionen Euro stellt das Land für die Fördersäule B lediglich rund 3 Millionen bereit. Das bedeutet: existenzielle Projekte verlieren ihre Grundlage, Fachkräfte ihre Stellen, und Strukturen, die über Jahre Vertrauen aufgebaut haben, drohen ersatzlos zu verschwinden.
Die Folgen treffen nicht nur die unmittelbar Beteiligten, sondern die gesamte Gesellschaft. Angebote für Beratung, Begleitung, politische Bildung und Empowerment fallen weg. Bereits marginalisierte Menschen – Geflüchtete, junge Menschen, queere Personen – werden isolierter, unsicherer und verletzlicher. Ausgerechnet in einer Zeit zunehmender Polarisierung, von Angriffen auf demokratische Institutionen und wachsender rechter Gewalt bricht das Land zentrale Angebote ab, die Stabilität, Teilhabe und gesellschaftlichen Zusammenhalt sichern.
Besonders hart trifft es die spezialisierten Beratungsstellen für queere Geflüchtete – eine bundesweit einzigartige Struktur und seit 2016 ein Best-Practice-Modell. Alle sechs Projektanträge des Projektverbunds „Fachberatung für queere Geflüchtete in Sachsen“ wurden abgelehnt. Ab Januar gibt es damit keine staatlich finanzierte professionelle Unterstützung mehr für Menschen, die wegen ihrer sexuellen Orientierung und/oder Geschlechtsidentität fliehen mussten und im Asylverfahren, beim Zugang zu medizinischer Versorgung oder bei der sicheren Unterbringung dringend Unterstützung brauchen.
Eine aktuelle Studie zeigt: 74 % der queeren Geflüchteten in Sachsen haben Symptome mindestens einer psychischen Erkrankung, fast 70 % haben sexualisierte Gewalt erlebt – doppelt so häufig wie andere Geflüchtete. Dennoch fallen genau die Strukturen weg, die diese besonders vulnerable Gruppe schützen, begleiten und stärken.
Auch Projekte politischer Bildung, Integrationsbegleitung, Empowerment und Demokratiearbeit wurden massenhaft abgelehnt – in einem Bundesland, in dem Schulen zunehmend demokratiefeindliche Angriffe erleben und zivilgesellschaftliche Akteure ohnehin unter Druck stehen.
Viele Träger fragen nun zu Recht: Warum stehen weniger Mittel zur Verfügung als im Haushalt einkalkuliert? Warum wurden Hinweise auf die besondere Bedeutung etablierter Strukturen ignoriert? Und was bedeutet dieser Schritt langfristig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Sachsen?
Der Abbau dieser Angebote ist politisch unverantwortlich und gefährdet unmittelbar Menschenleben, Sicherheit und Demokratie. Integration braucht Verlässlichkeit – keine intransparenten Streichlisten.