Zu queer für die Bundeswehr: Vielfalt ja - aber bitte in Maß

Altmodisch oder schlicht bigott?: "Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome" - dieses Tinder-Profil empfindet die Bundeswehr als “Mangel an charakterlicher Integrität”.

Mein Name ist Anastasia Biefang und ich war die erste transgeschlechtliche Kommandeurin in der Bundeswehr.

Während meiner Karriere bei der Bundeswehr absolvierte ich zwei Auslandseinsätze in Afghanistan. Inzwischen bin ich tätig im Kommando Cyber- und Informationsraum in Bonn.

Mein Dienstgrad ist Oberstleutnant. Ich verteidigte und kämpfte für Demokratie, Toleranz, für die Einhaltung der Menschenrechte und die Freiheit des Individuums.

Die Bundeswehr nutzt mich regelmäßig für Queer-Kampagnen um zu zeigen, wie offen und modern sie ist.

Als aber mein privates Tinder-Profil veröffentlicht wurde, war es vorbei mit der Offenheit und Toleranz. 

"Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome". Das stand in meinem privaten Tinder-Profil in 2019. Dafür erhielt ich von meinem Disziplinarvorgesetzten einen Verweis. 

Und das Einzige, was auf dem Profil stand, war mein Alter und Vorname. Es gab keinen Hinweis zu meinem Arbeitgeber, keinen Bezug zur Bundeswehr. Nichts, rein gar nichts. 

Als 48-jährige Soldatin empfinde ich das als einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in mein Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung. 

Also brachte ich die Sache erst vor das Truppendienstgericht und dann bis zum Bundesverwaltungsgericht. In allen Instanzen wurde der Verweis aufrechterhalten.

Die Begründungen sind Zeugnis einer komplett rückwärtigen Moralvorstellung. Das Verwaltungsgericht begründet sein Urteil damit, dass “Dadurch würde der Eindruck entstehen, dass die Soldatin wahllosen Geschlechtsverkehr habe und sich selbst, aber auch ihre Partner, zu reinen Sexobjekten reduziere. Durch diese Formulierung würde man an ihrer charakterlichen Integrität zweifeln.”

Worin genau besteht der “Mangel an charakterlicher Integrität” hier? 

Darin, dass ein Soldat*in ein Tinder-Profil hat? Oder darin, dass ich als Frau eine offene Beziehung habe und Sex suche? 

Die Moralvorstellungen der Bundeswehr sind vollkommen aus der Zeit gefallen.

Deswegen muss die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht im Soldatengesetz zwingend angepasst und in Hinblick auf tatsächliche Dienstvergehen konkretisiert werden. Die derzeitige Unbestimmtheit öffnet Tür und Tor für Diskriminierung bei einer nicht zeitgemäßen Auslegung dieser durch die Disziplinarvorgesetzten.

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An Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und die Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Dr. Eva Högl:

Diversität und Vielfalt bedeutet nicht nur, dass man LGBT*-Menschen integriert, sondern auch umfänglich achtet und anerkennt.

Die Bundeswehr ist mit ihrem Verweis und Urteil gegen Anastasia Biefang völlig aus der Zeit gefallen und blendet gesellschaftliche Realitäten komplett aus. Soldat*innen, die nicht dem heteronormativen Lebensentwurf entsprechend leben, dürfen keine negativen Auswirkungen auf ihren Dienst befürchten. 

Wir fordern die sofortige Anpassung der außerdienstlichen Wohlverhaltenspflicht im Soldatengesetz und den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung aller Mitglieder der Bundeswehr. 

Hier muss mit gleichen Maßstäben für ALLE, inklusive FLINTA (Frauen, Lesben, Intersex, Nicht-binären Menschen, trans Menschen und asexuellen Menschen) angesetzt werden. 


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